Einen blog zu beginnen, ist wie ein neues Jahr: man verwirft Vergangenes, mistet aus und stützt sich mit guten Vorsätzen in etwas Neues.
Gestern noch habe ich drei Säcke mit alten Zeitungen vor die Tür gestellt und heute schwelge ich schon wieder und immer noch in Ausgaben, die in weitere Müllsäcke wandern sollten.
Es ist das Jahr 2011, also erst zwei Jahr her, da läuft mir in einem der vielen nicht gelesenen Artikel Franz Liszt in einer Weimarer Ausstellung über den Weg. Es wird die Frage gestellt, welche Bedeutung es vielleicht haben könnte, dass er über Geliebte und Töchter mit drei deutschen Kanzlern und einem französischen Präsidenten verwandt ist. Ja, hat es eine Bedeutung? Ich war nicht bei der Ausstellung und weiß es nicht. Wenige Ausgaben später springt mich der Name Peter Hille an. Der Waldschrat meiner Studienjahre, den ich gern als Kuscheltier hätte in den Arm nehmen mögen, aber mich das natürlich nicht getraute, zumal ich ihm nicht traute. Er war so entsetzlich unzuverlässig. Ich wahrscheinlich auch, zumindest in meinem Inneren. Er wird mit dem Titel „Als wär’s ein Stück von mir“ vorgestellt, dem Titel, mit dem ich Carl Zuckmayers Erinnerungen verbinde. War nun Peter Hilles Leben für den FAZ Redakteur (der verantwortlich für diese Überschrift war) ein Stück von Zuckmayer oder Zuckmayers Titel eine Reminiszenz auf Peter Hellies Werk oder gar ein Zitat? Auch gute Feuilletons lassen uns mehr als genug im Dunkel stehen. So wie ich Peter Hille nicht ganz zu meinem Eigen machen konnte, so konnte ich, irgendwann in den 1960ern, Carl Zuckmayer in Saas Fee nicht besuchen, er war schon zu krank.
In einem weitern Feuilleton tauchten die „exzessiven Farb-Exerzitien“ von Hermann Nietsch in den Kostümen von Messiens „Franziskus“-Oper auf und in meinem Inneren die angenehme Atmosphäre, die Hermann Nietsch verbeitete, als ich ihn in der norddeutschen Provinz in einer versteckten Dorf-Galerie traf und wir ein gemächliches Gespräch in die Nacht führten.
Wie gut, dass ich die Zeitungsseiten nicht früher zur Hand genommen hatte. Heute haben sie eine doppelte Patina.
Mir sind die Nachrichten von gestern heute klarer und wichtiger als zum Zeitpunkt ihrer Aktualität. So stapeln sich die Neuigkeiten von gestern immer noch in meiner Wohnung. Ich kann sie gar nicht so schnell entsorgen wie sie an jedem Heute nachwachsen.
Der Umgang mit dem Gestern im Heute ist wirklich zweischneidig; es ist nötig, die Balance zu finden. Vor allem bei Büchern und Katalogen erlebe ich mehr und mehr, dass sie auch zur Last werden können – wem nutzen sie noch? Hast Du davon genug weitergegeben, genügend daraus gemacht? 1000 Bücher, 1000 Geschichten, die zu erzählen sich lohnen könnte, wenn Menschen zuhören mögen.