
Arme fuchtelnde, wilde, ungeschliffene Männer und Frauen, die sich gegen Abstand und Mund-Nasen-Bedeckung wehren.
Wir treffen sie in allen Medien und manchmal auch live in Straßen und auf Plätzen. Sie lieben das Rudeln. Sie wollen nicht allein sein. Leben im Jetzt ist angesagt.
„Wilde Männer“ und ebenso „wilde Frauen“ gab es schon vor Jahrhunderten. Sie lebten auf farbenfrohen Wandbehängen und sorgten für ein behagliches Wohnklima. Ihr Leben aber begann noch viel früher – als man die Verständigung verlor, als man den Turm zum Himmel in Babylon baute und als man den Nachbarn nicht mehr verstand, weil er bla-bla sprach. Es war die Geburtstunde der „Barbaren“.
Wer sind denn nun die Barbaren in unseren Tagen? Wir oder nur die anderen? Die anderen oder nur wir?

Vielleicht geben die künstlichen und künstlerischen Gestalten von Gunnar Klenke Hinweise, vielleicht sogar Antworten. Gunnar Klenke hat die „Wilden“ seit Jahren auf farbigen Leinwänden eingefangen. Sie leben gern an Ausstellungs- und Wohnraumwänden.

Gunnar Klenke (1956 in Rodewald, Kreis Nienburg geboren) schloss 1983 das Studium der Freien Kunst in Hannover mit dem Diplom ab.
Zwischen 1979 und 1985 nahm er an acht wichtigen Projekten von „Kunst im öffentlichen Raum“ in Kiel, Frankfurt, Bremen und Hannover teil. Seit 1981 Ausstellungen in Deutschland, Dänemark, Norwegen, in Lausanne, Brande (DK), Oslo, Viborg (DK), Budapest, Dortmund, Hamburg und Hannover. 2001 eine vielbeachtete Ausstellung in Tel Aviv.
Gunnar Klenke beschäftigte sich nach dem Studium mit magischen Zeichen und Ritualen – aus allen Religionen, aus alten und neuen und meistens gewinnt er seine Erkenntnisse aus Büchern. Er schlüpft nicht in die Rolle der Gläubigen, der Beter, Sänger oder Weihrauchschwenker.
Verhältnis von Macht, Magie und Realität
„Ich bin da sehr synkretistisch“ meint Klenke – was ja meint: ich halte die Lehre nicht so rein, bei mir dürfen sich die Bedeutungen und Meinung durchaus überschneiden.
Als Künstler interessiert er sich weniger für religiöse Systeme, als vielmehr für das menschliche Verhalten, das mit dem Magischen ein Zeichensystem für das Unbekannte setzt.

Seine Gemälde und Zeichnungen haben keine Titel. Hätten sie Titel, wäre die Nähe zu einer Bedeutungsfixierung zu groß. Der Künstler will dem Betrachter lieber die Möglichkeit eigener Lösung und Er-Lösung lassen.
Seit 2015 hat Gunnar Klenke in Gesprächen immer wieder die „Wilden Männer“ erwähnt, behaarte Gestalten, die auf Tapisserien des späten Mittelalters zwischen Girlanden ein für uns meist unverständliches und entrücktes Leben führen.
Wild sehen die Männer und Frauen oftmals aus: sie waren immer ein Propagandainstrument oder ein frühes Selfie der Gesellschaft, denn das „Wilde“ an ihnen war sowohl das „Primitive“ wie auch das „Paradiesische“; sie galten als unkultiviert und zugleich als ungebunden und frei.
Die „Kämpfer“ des IS können wir in dieser Tradition sehen; der Blick auf sie schwankt auch zwischen Verachtung und Verehrung. Ihre Körperverhüllung und ihre stete Gottesverherrlichung durch formelhafte Worteinkleidung haben Teil an dem Mythos der Wilden Männer und der (weniger zahlreichen) Wilden Frauen.

In der europäischen und weltweiten Kulturgeschichte finden sich immer wieder Figuren, die den Bildern der Wilden Männer ähneln, beginnend mit der Figur des Enkidu im Gilgamesch Epos (seit etwa 2.000 BC) über Esau im Alten Testament bis hin zu Shakespeares Caliban (Der Sturm) und den alemannischen Fastnachtsfiguren und den Historien der frühen Bergleute (Wildemann-Orte und -Häuser im Harz).
Die Tradition reißt nicht ab, sie bildet immer neue Ausprägungen der Gestalt. Behaarte Wilde können noch Abbilder unseres Ursprungs sein, vergleichbar den Schattenspielen in Platons „Höhlengleichnis“.
Ähnlichkeiten oder neue Realitäten?
Der Künstler Gunnar Klenke verbeißt sich nicht im Politischen, aber er vergisst die Nabelschnur unsers Lebens nicht, auch wenn sie aus dem Dunkel der Urzeit kommt.
Wenn Künstler sich mit den Zuständen in ihrer Zeit beschäftigen, dann schauen sie gerne zurück, gerne auch sehr weit zurück. So selbstverständlich uns die Bezeichnung „Renaissance“ ist, so gerne vergessen wir, dass es ein Rückblick in eine weit zurück liegende Zeit war. Der Blick zu den Griechen schweifte dabei etwa zweitausend Jahre in die Vergangenheit. Auch J.J. Winkelmanns Formulierung (1755/1764), von der edlen Einfalt und stillen Größe, die uns heute als Definition der Klassik geläufig ist, basiert auf der Vorbildfunktion griechischer Kunst (auch wenn der Laokoon, bei dessen Beschreibung Winckelmann die Formulierung benutzte, vermutlich eine römische Kopie eines verschollenen griechischen Originals ist).
Vergangenheit und Zukunft sind im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext vor allem von geistigen und emotionalen Aspekten bestimmt, in der Gegenwart hingegen bestimmen vor allem ökonomische Aspekte.

Gunnar Klenke setzt sich mit einem Menschenbild auseinander, das die oberflächliche Zerrissenheit unserer Umbruchszeit (analoge zu digitaler Welt) und zugleich die starke Verwurzelung in tradierten Lebensgewohnheiten (sammeln, jagen, domestizieren) nebeneinander stellt. Ein ‚Sharkträger‘ verweist auf das Jagen zur Lebenserhaltung, der ‚maskenhafte Pilotenkopf‘ auf die künstliche Atmosphäre, die wir wegen der hochtechnologischen Fortbewegung um uns brauchen, der ‚Schirmhalter‘ auf den Schutz vor stark beeinträchtigender Natureinflüsse und der ‚vegetable-bone‘ Mann auf unsere nicht nur körperliche ‚Offenheit‘, sondern zugleich auf die Ersetzbarkeit von Knochen, Geweben und Organen.

Die einzelnen Zeichnungen und Gemälde sezieren unsere Welt, die wir ja nie als etwas Ganzes erleben, sondern immer nur als Ausschnitt. Die starke Gegensätzlichkeit der einzelnen Arbeiten verdeutlichen, dass hier keine Gesamtheit und keine Einheit beschworen wird.
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