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Ausflug nach Pordenone

.Eine halbe Stunde mit der Bahn in westlicher Richtung Richtung Venedig. Bei der Rückfahrt stand als Zielbahnhof Trieste an der Anzeigentafel.

Der Blick aus dem Zugfenster unterschied sich kaum von den Bildern, die ich von anderen italienischen Zugstrecken in Kopf und Kamera gespeichert habe. Wenige Minuten nach dem Verlassen des Bahnhofs kommen die ersten Betonruinen von aufgegebenen Produktionsanlagen. Man kann nur selten erraten, was in den Gerippen vor Jahren oder Jahrzehnten produziert oder zusammengeschraubt wurde. Dann kommt die agrarische Landschaft, hier vor allem ordentliche Weinrebenreihen. Im Friaul unterbricht dann gelegentlich ein breites, in dieser Jahreszeit nahezu trockenes Flußbett aus weiß schimmernden Kieseln das Grün. Zur Zeit der Schneeschmelze muß es ein tobender Wasserteppich sein, der sich gen Süden wälzt. Jetzt ist es eine temporäre Wüste.

Der Fluß Taliamento im sommerlichen Bett

Der Bahnhof von Pordenone sieht wie jeder andere italienische Bahnhof aus. Er verrät nichts von der Stadt. Aber zwischen Bahnsteigen und Ausgang vollführt ein gegossener Bersaglieri einen kleinen Horn-Tanz.

Tanz mit Horn im Bahnhofsgebäude

Auch der Bahnhofsvorplatz zeigt noch kein eigenes Gesicht. Wenn man nach den Ausgängen einfach die Straße überquert , führt die Via Mazzini den Besucher zur Piazza Cavour, dem Verteilerring der Stadt, von dort in den Corso Garibaldi oder entgegengesetzt in den Corso Vittorio Emanuele II, die via Roma oder die Viale Martelli – alles Namen, die mit der Bildung eines einheitlichen italienischen Staates zu tun haben. Die Namen fassen Guerillakämpfer (Wikipedia) wie Garibaldi, Partisanen des 2. Weltkrieges wie Mazzini, den ersten italienischen König und seinen Ministerpräsidenten zusammen. Allein die Straßennamen halten die Besucher in der nationalen Erregung des Risorgimento gefangen.

Wir suchten den Weg in die ältesten Ecken der Stadt durch die kleinen Parks am Rande. So kommt man gewissermaßen durch die Hintertür in die Geschichte, nämlich durch die Gegenwart.

Das alte Rathaus und der Dom San Marco verweisen darauf, dass Venedig über lange Zeiten hin der Regent der Gegend war.

Reste früher Schönheit, hier noch gut erhalten

Nicht nur Wikipedia weist auf die malerische Altstadt hin, sondern natürlich auch die Touristenförderung mit ihren großformatigen Werbeblättern. Tatsächlich handelt es sich dabei vor allem um eine leicht geschwungene Straße, die heute den Namen von Victor Emanuele II trägt. Man sieht dort historische Fassaden mit Resten von Wandbemalungen – und somit von verpassten Restaurierungen. Die Texte des Informationsblattes bemühen sich um viele Details, vermitteln aber kein Verständnis für die historische Situation.

Die Palazzi am Corso Vitt. Emanuele II gehörten dem Landadel, über dessen Verhältnis zur Serenissima in Venedig der Jurist, Schriftsteller und Ratgeber Garibaldis, Ippolito Nievo ,1858/61 in seinen romanhaften Erinnerungen „Bekenntnisse eines Italiener“ schrieb: „Doch war das Los der armen Gemeinden im Würgegriff der umliegenden schloßherrlichen Gerichtsbarkeiten schon nicht heiter, so sah es mit den Befugnissen ihrer Oberhäupter gegenüber den Grundherren noch schlimmer aus. San Marco war beliebt, aber aus der Ferne und mehr des Pompes wegen; und im Grunde lag der Republik, vor allem im Friaul, die Ergebenheit des Adels zu sehr am Herzen, als daß man ihm ernsthaft mit dem Schreckgespenst der Kommunalgerichtsbarkeit gedroht hätte.“

Die heute zu bewundernden Palazzi waren damals die Prestigewohnungen der Profiteure der armen Landbevölkerung.

Der Palazzo der Fam. Mantica, die das Theater neben dem Dom in Udine besaßen (s. Vivaldi-Konzert)

Ich empfinde eine historisch zutreffende Information nicht als politische Agitation, sondern als Hilfe zum Verständnis der aktuellen und geschichtlichen Situation.

Pordenones historisches „Stadtleben“ endete noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa an den Grundstücksgrenzen der Palazzi; man kann Reste der Ziegel gemauerten Stadtmauer noch heute hinter den Gärten sehen.

Das zeitgenössische Pordenone unterscheidet sich nicht von vielen italienischen Städten; man baut modern, aber man integriert nicht Altes und Zeitgenössisches. So fehlt der Stadt ein Einheit stiftendes Bild.

Repräsentation der Gegenwart: Provinzial Verwaltung in Pordenone