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Einkaufen, Essen, Flanieren – von der Liebe, die Augen zu erfreuen

Eine Stadt zu erkunden, bedeutet für mich immer auch das Wahrnehmen von Einkaufsmöglichkeiten. Ich nehme die Häufigkeit bestimmer Geschäfte ebenso wahr, wie die Gestaltung von Namensschildern oder Schaufenstergestaltungen. Wo ich einkaufen kann, ist von Wichtigkeit, denn ich ziehe Ferienwohnungen den Hotels vor. Da kann und will ich mich selbst versorgen.

fröhliche Herbstfarben

fröhliche Herbstfarben

Beim Erkundungsgang durch Oppeln fielen als erstes die Mädchen, Männer und Frauen auf, die an Straßenecken mit kleinen Ständen auf Kundschaft für Obst und wenig Gemüse warteten. Vermutlich werden da vor allem Eigenprodukte verkauft (um den erweiterten Innenstadtkern von Oppeln gibt es einen breiten Ring von Schrebergartenkolonien).

Straßenmarkt 1

Straßenmarkt 1

Das einheimische Obst an der Straße ist nicht wesentlich preiswerter als in Supermärkten. Für Äpfel, Birnen, Zwetschen, Pfirsiche zahlt man 6 oder 8 Zlt pro Kilo, etwa € 1,50 bis 2.

Bananen im Supermarkt kosten das gleiche wie bei uns, ab € 1,50.

 

der Lieblingsschlachter

der Lieblingsschlachter

 

Bäckereien (piekarnia) sind recht unscheinbar, auffallender sind die Kioske an den Straßenecken, in denen man Gebäck und Blechkuchen kaufen kann (aber eben kein Brot). Das erste Brot fanden wir in einem Laden, der wie eine Schlachterei aussah – und auch überweigend schmackhafte Wurst und gutes Fleisch verkaufte, aber auch Salate, ein wenig Gemüse, Kartoffeln und eben auch Brot. Ein Laden der Tante-Emma Kategorie auf gehobenem Niveau.

 

Lebensmittelabteilungen in Zentren und Supermärkten sind wir aus dem Weg gegangen.

Hinterhofmarkt

Hinterhofmarkt

Zwischen den Straßenrand-Ständen und den Supermärkten gibt es Wochenmärkte, die eine größere Auswahl bieten, meist aber nahezu „unsichtbar“ sind. Sie sind vor allem zwischen Häuserzeilen, sozusagen im Herzen der früheren Blockumbauungen, auf Freiflächen, die nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch nicht wieder bebaut wurden. Weder die Präsentation noch die Nachfrage sind mit den Wochenmärkten in Deutschland zu vergleichen; sie sind einsamer, gemütlicher, gewöhnungsbedürftiger. Hier bekommt man direkten Kontakt mit den Leuten; sie reden mit ihren Kunden, auch wenn sie wissen, dass man sich gegenseitig nicht versteht.

Am ersten Tag war auffallend, dass unser Einkauf im Schlachterladen (für etwa zweieinhalb Tage Essen) nicht teurer war als zwei Kaffee und Eisgedecke – ca. € 10,- .

Lebensmitteleinkauf im Lieblingsladen - € 18,00

Lebensmitteleinkauf für zwei Tage – € 18,00

Die Eisdiele in der Fußgängerzone ist ein beliebter Treffpunkt für junge Paare, Eltern mit Kind(ern) und Großeltern. Es schien, als ob ein Eis für den Heimweg den Abend angenehm einleiten sollte.

zwei Portionen Eis - € 10,00

zwei Portionen Eis – € 10,00

Erst am letzten Tag haben wir einen der Kuchenläden (Cukiernia) betreten, die dem Augenschein nach weit häufiger als Brotläden sind. Die Kuchen sehen verführerisch aus – und schmecken auch noch genau so!

 

ein attraktives Kuchenangebot bei "Magosz"

ein attraktives Kuchenangebot bei „Magosz“

 

 

Bei Kuchen und Eis und dem bisher einzigen Restaurantbesuch (in Czestochowa) bemerkte ich, dass das Anrichten, das Dekorieren ein wesentlicher Aspekt des „öffentlichen“ Essens ist. Für mich vergleichbar nur dem selbstbewußten Tragen qualitativ geringwertiger Bekleidung.

Schweinefleisch auf Spinat - € 5,50

Schweinefleisch auf Spinat – € 5,50

so freundlich ist die Bedienung im Lieblingsladen

so freundlich ist die Bedienung im Lieblingsladen

Oppeln – erster Eindruck

Blick auf die älteste Kirche Oppelns von der Oder-Insel Pascheke mit der frühesten Ansiedlung der Opolini

Blick auf die älteste Kirche Oppelns von der Oder-Insel Pascheke mit der frühesten Ansiedlung der Opolini

 

Der Weg vom Hauptbahnhof quer durch die Innenstadt zur gemieteten Ferienwohnung (nord-östlich des Zentrums) vermittelt einen Eindruck von Oppeln, der eher irritiert als begeistert. Die Stadt ist zerfleddert und lebt in vielerlei Gewändern, die nicht immer zu einander passen.

Der Bahnhof entstammt dem Geschmack des späten 19. Jahrhunderts (roter Ziegelstein), gleich gegenüber beginnt ein Sammelsurium aus Resten bürgerlicher Fassaden und lieblosem sozialistischen Wiederaufbau.

Der Hauptbahnhof, heute ebenso unübersichtlich wie die Stadt selber

Der Hauptbahnhof, heute ebenso unübersichtlich wie die Stadt selber

Wo früher die Stadtmauer der recht kleinen Stadt war, erhebt sich eine riesige Steinskulptur, die den polnischen Nationalismus schürt – erst um 1970 errichtet, soll sie an die „Freiheit“ der Polen oder den „Sieg“ über deutsche Fremdherrschaft erinnern. Ignoriert wird dabei, dass es eine international überwachte Abstimmung nach dem Ersten Weltkrieg gab, die fast einstimmig für den Verbleib bei Deutschland optierte.

Die Geschichte polnischer Königreiche ist wenig nationalistisch gewesen, aber im 19. und 20.Jahrhundert wurde das gerne nationalistisch dargestellt.

Oppeln war seit seiner Gründung (ca. 950) böhmisch, schlesisch, österreichisch und preußisch. Die Piasten, die Oppeln lange besaßen (familiäre immer zersplittert), wählten über einige Zeit auch den polnischen König mit.

Nike auf einem Wisent

Nike auf einem Wisent

Als ich nach dem Namen der (riesigen) weiblichen Figur fragte, stieß ich sogar in der Touristeninformation auf betretene Unkenntnis. Sehr geheuer war dem freundlichen Mitarbeiter dieses emotionale Monstrum nicht. Sie wird gern als „Nike auf einem Wisent“ bezeichnet. Als „Europa auf dem Stier“ könnte sie eine bessere (politische) Figur abgeben.

Eine Seitenansicht des Rathauses von 1822

Eine Seitenansicht des Rathauses von 1822

 

 

 

 

 

 

Weniger imposant und weniger eindrücklich präsentiert sich der Rynek, der zentrale Marktplatz: ein Eindruck schinden wollendes Rathaus im florentinischen Stil (erbaut erst 1822) ist umgeben von Häusern mit barocken Fassaden. Sie sind allerdings nicht mehr original. Nicht nur Großbrände im 17. und 18. Jahrhundert hatten sehr große Teile der Stadt zerstört, auch der Zweite Weltkrieg ließ nur 40% der Häuser übrig.

Wieder aufgebauten Häuser am Marktplatz  (Rynek)

Wieder aufgebauten Häuser am Marktplatz (Rynek)

 

Die „alten“ Häuser am Rynek sind mithin ein frühes Zeugnis polnischen Wiederaufbau-Willens – in Warschau wurde der Marktplatz prototypisch früh wieder rekonstruiert. Danach kamen dann die sozialistischen Plattenbauten.

 

Häuser am Rynek

Häuser am Rynek

 

 

 

Oppeln ist architektonisch ein Flickenteppich, der große Löcher hat.

Das Leben in der Stadt hat sich dem Erscheinungsbild angepasst: man weiß nicht so recht, woran man ist.

 

Der Versuch, sich nach dem Krieg ein skandinavisches (= internationales) Gesicht zu geben

Der Versuch, sich nach dem Krieg ein skandinavisches (= internationales) Gesicht zu geben