02.09.18
Schon beim ersten Besuch in Paduas Pilgerkirche „Il Santo“, Palmsonntag vor fast einem Jahrzehnt, wurde an den Kirchentüren deutlich darauf hingewiesen, dass in der Kirche das Fotografieren nicht erlaubt ist. Das überwältigende Gedränge beim Gottesdienst hatte mich bewegt, doch – in der cloud der Menschen – ein Stimmungsbild zu machen. Kurz darauf wurde ich von einem freundlichen, aber sehr bestimmten Herrn angesprochen, der mir auferlegte, das Foto wieder zu löschen. Er überprüfte auch den Löschakt. Mein Umgehen des Fotografier-verbots hatte mich damals beschämt. Und die immer noch vorhandenen, stark vermehrten Verbotshinweise, erinnerten mich wieder lebhaft an Palmsonntag.
Der Kirchenraum war beim aktuellen Besuch nur mäßig besucht, vor allem von Touristen. Am Eingang verteilten Männer, deren Aussehen und Auftreten zwischen security und seriösem Türsteher schwankte, dünne blaue durchscheinende Umhänge an Frauen und junge Mädchen, die zu viel Brust oder Bein mit in den geheiligten Raum nehmen wollten.
Ich nahm erst einmal den sich mir öffnenden Raum der Kirche auf, von dem ich vor allem den Kreuzgang und das Verteilen von Olivenzweigen (als regionaler Palmen-Ersatz) an Gläubige und Zugereiste in Erinnerung hatte. Was mir gleich auffiel, waren die hochgereckten Arme und erhobenen Häupter, die eindeutig auf Smartphone-Displays gerichtet waren. Die Offensichtlichkeit erstaunte mich. Noch mehr allerdings, dass niemand die fotografierenden Besucher auf das Verbot hinwies.
Die stark besuchte Krypta hinter dem Hauptaltar, die in einen Reliquien-Raum für den hl.Antonius, gleich Il Santo, verwandelt worden war, war einer der touristischen Anziehungspunkte. Das langsame Abschreiten der „Ikonostasen“, bei dem Gläubige und Touristen nicht von einander geschieden werden konnten, glich einem Abfilmen goldener Gefäße. Hinter einem runden, imposanten Tischrund saß ein alter Mönch, dessen Blick direkt auf die Gläubigen und Touristen gehen konnte. Er hätte jedes verbotene Foto gesehen. Aber er ließ seinen Kopf immer auf ein Brevier sinken, in das er seine Augen und Gedanken vertiefte.
Ich wanderte weiter durch die Kirche, hin zum gleißend weißen Erinnerungsaltar an Il Santo, dessen Rückseite einen Kraft spendenden Stein einfasste, den alle Gläubigen mit der flachen Hand berührten. Eine ähnlich Andacht habe ich im vergangenen Herbst im Ise-Schrein in Japan gesehen. Dort ragt der Stein ein wenig aus der Erde, ist abgesperrt, um Besucher und Touristen auf Distanz zu halten. Damit die Kraft auch sichtbar wird, werden die über den Stein gestreckten Hände auch fotografisch fixiert. – Den Akt der Kraftaufnahme hat in Padua (ausnahmsweise?) niemand fotografiert.
Über das hemmungslose, vor allem selbstverständlich hingenommene Fotografieren habe ich mich gewundert und auch geärgert. Ich kam mir, als jemand, der das Verbot ernst nahm, betrogen vor. Ich hätte gerne ein paar der eindrücklichen Raumkonstruktionen der Kirche fotografiert. Die meisten fotografierenden Besucher liefen demonstrativ durch den Raum.
Noch weitaus deutlicher wurde das ebenfalls in auffallender Häufigkeit angeschlagene Fotografierverbot im eindrücklich ausgemalten Baptisterium des Doms ignoriert. Der Raum ist deutlich kleiner als Il Santo und komplett übersehbar vom Kustoden, der vor allem Postkarten verkaufte. Niemand wurde am Fotografieren gehindert. Nicht mal, wenn man direkt neben ihm stand.
Ich frage mich, warum das Fotografierverbot, das sicher nicht nur ausgesprochen wurde, um den Absatz von Postkarten mengenmäßig zu beeinflussen, so deutlich von dem Kirchen eigenen Personal geduldet wird. Damit ist das Verbot des Fotografierens obsolet. Da heutzutage nicht mehr geblitzt wird, ist eine Beeinträchtigung der Malereien nicht zu befürchten.
Da das Übertreten des Verbots nicht geahndet wird, kommt man sich als Besucher, der gerne (aus mancherlei Gründen) ein Foto mit nach Hause nehmen möchte, dumm vor, wenn man sich an ans Verbot hält.