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Ein kluger Narr

Narrenschiff – kein Kommentar zur Situation auf dem Mittelmeer. Eigentlich lautet der Titel „Flaschenpost“, 2015

Frank Schult in Celle

1994 hatte Frank Schult im Bomann-Museum Celle seine erste umfangreiche Ausstellung. 2018, 24 Jahre später wird er wieder im gleichen Haus präsentiert, das heute Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon heißt. Anlass der neuen Ausstellung ist der 70. Geburtstag des Künstlers.

Frank Schult durfte nach mehrjährigem Warten 1989 aus der DDR ausreisen, wenig mehr als ein halbes Jahr vor der Maueröffnung. Da wurde seine Malerei im neuen Zuhause Celle (nach einem kurzen Aufenthalt in Fulda) kaum beachtet; er war ja kein Signal mehr für das freiere Leben im Westen.

1989 konnte ich seinen ersten Katalog betexten und gestalten; ich gab ihm den Titel „beiderseits“. Mein erster Satz im Katalog lautete: „Man kann schnell aus einer Tradition herausgeworfen werden, aber man findet nur schwer in eine neue wieder herein.“

Das „auf beiden Seiten stehen“ ist immer noch der Standort von Frank Schult und der Titel meines zweiten Kataloges für ihn, wenig später, „gegenwartsvergangen“ stimmt auch noch immer.

vermutlich mehr ein Wunsch, doch mit vielerlei An-Denken versehen, etwa an den jungen Baselitz

Die Gegenwart von Ausbildung und Leben in der DDR ist bis heute ein prägender Teil seines Lebens. Prägend vor allem in der Schärfe seines Blickes auf die Welt und in der Kommentierung der Zeitläufte. Frank Schult war Meisterschüler von Willi Sitte und ein vom Meister sehr geachteter, was damals wie heute ein zweischneidiges Schwert ist.

Die aktuelle Ausstellung in Celle ist zahlenmäßig weniger umfangreich als die erste, aber sie ist eindrücklicher – und ich hoffe, auch einfacher für das Publikum zu lesen. Das aber kann ich nicht beurteilen.

Frank Schult erzählt gern in doppelt verschlüsselten Bildern – kultur- und politikgeschichtlich einerseits und emotional und biografisch andererseits. Und da er mit seinem Pinsel durchaus Anklänge an viele bedeutende und bekannte Vorgängerkünstler in die eigenen Erzählungen einflechten kann, setzt er sich immer wieder zwischen auch diese Stühle.

Entwurf für eine Wohnmaschine_ ein nach Außen gestülptes Innenleben?

Die Präsentation in Celle zeigt sehr deutlich, wie wandlungsfähig Frank Schult ist, dabei sind dort nur großformatige Arbeiten zu sehen, nur wenige Skulpturen (aber sehr schöne), keine Papierarbeiten und man erfährt auch nichts über seine Bühnenbilder, mit denen er immer wieder Räume öffnet für das Verstehen von Sprache und sinnlichem Ausdruck.

 

Der Wohnmaschinen-Entwurf als Wand geeigneter Kommentar

 

 

 

Alle Gemälde erzählen seine Sicht auf Zeit und Welt, alle Bühnenbilder öffnen den Raum für Verständnis und die meisten der Papierarbeiten sind, was die Stundenbücher dem gebildeten Adel waren, Objekte der Meditation und Versenkung. Man sollte die Bilderzählungen aber nicht beim Wort nehmen, sondern bei den Möglichkeiten ihrer Deutungen.

Als ich mit Frank Schult vor dem eindrücklich roten Gemälde „Narrenschiff“ stand und mir Assoziationen zu Surfen auf dem Woodstock-Gefühl h0chkamen, kommentierte er trocken „und ich bin der Narr“.

Der Künstler als Narr ist heute offensichtlich out. Frank Schult fühlt sich aber unter Narrenkappe und im Schellenanzug durchaus zu Hause. Schließlich war der Narr über lange Zeit der einzige, der den Herrschern duch Wort und Geste paroli bieten durfte.

Ich achte ihn deshalb ebenso hoch wie den Christoph Kolumbus von Peter Bichsel in „Amerika gibt es nicht“.

Die Ausstellung läuft leider nur noch bis zum 3.09. Ich war sehr spät dran mit meinem Besuch.

Elblandschaft bei Dresden, 2016