10. Juli 2016
Das Stadtzentrum zwischen Bahnhof und Mosel wird umfasst von der Theodor-Heuss-Alle, die in die Nord-Alle übergeht und dann einen Appendix mit dem Namen von Friedrich Ebert hat. Dass sich hier „Benennungs-Politik“ abspielen könnte, fiel mir zuerst auf als ich bemerkte, dass von Norden nach Süden die Moselbrücken Kaiser Wilhelm, den Römern und Konrad Adenauer gewidmet sind. Eine eindeutige oder vielleicht gar „klassische“ Abfolge?
Trier fühlt sich nicht nur als älteste Stadt in Deutschland, sondern in besonderem Maße auch als Kaiser-Stadt (in Erinnerung an Kaiser Constantin und aufgefrischt mit der aktuellen Kaiser Nero Ausstellung). Diese drei Brücken schließen mit dem Martins-Ufer, dem Katharinen-Ufer, dem Johanniter-Ufer und dem Barbara-Ufer drei Heilige und einen Orden ein. Kaiser, Kirchenheilige und westdeutscher Nachkriegs-Konservatismus halten sich gegenseitig an den Händen. In der Nähe der Römerbrücke gibt es als kleine weltliche Trennung: das Kranenufer mit zwei alten Ladekränen.

historischer Ladekran am Kranenufer
Dass die Karl-Marx-Straße auf die Römerbrücke zuläuft, die Straße am Karl-Marx-Haus aber Brückenstrasse heißt, ist wohl auf die Lage des Rathauses zurück zu führen. Hätte man die Straßennamen in die eigentlich „richtigen“ Reihenfolge gesetzt, hätte das Rathaus an der Karl-Marx-Strasse gestanden. Das wäre vielleicht weder den Römern noch dem auf sie folgenden Konrad Adenauer (nach der Brückenbenennung) zuzumuten gewesen.
An der Römerbrücke zeigt die zweispurige Kaiserstraße / Südallee das Ende der alten Römerstadt an. Hinter den Barbarathermen (waren sie schon damals nach der Heiligen benannt?) biegt dann in Sichtweite der Konrad-Adenauer-Brücke die Hohenzollernstraße vom Ufer in Richtung Stadt. Hier stimmt das architektonische Kolorit; es sieht nach Nachkriegszeit aus.

Am St. Barbara-Ufer
Aber es geht auch, gerade an der Mosel oder auf der Mosel, sehr unpolitisch. Vereinzelt sitzen Paare am Ufer oder kleine Gruppen, die den tierischen Familienausflügen mit Freude zusehen.
Im Trierer Süden findet man kleine, kurze Straßen mit schmuck renovierten Mehrfamilienhäusern in Vorstadtgrößen. Die Fassaden der wilhelminischen Zeit verströmen eine unerwartete Heimeligkeit, wenn man sich des touristischen Gewimmels vom Markt und den umliegenden Kirchen noch gewärtig ist.

Farbige Nachbarschaft
An der Haustür hinter dem Baum steht „Urban Place“. Der Vorplatz ist einladend, als wenn die Tür der Eingang zur städtischen Gemeinsamkeit ist.

Parkscheibe für Verliebte?
Wenige Schritte weiter lacht hinter einer Autoscheibe ein Herz wie eine verschmitzte Parkscheibe.
Kommt man dann wieder in den historischen Stadtbereich und fühlt alte Straßen unter den Füßen, vermischt sich wieder Exotisches mit verflossen Eigenem, wenn das Taj Mahal zum Lokal im Gewand des Jugendstils mutiert.
Zeigt ein solcher Spaziergang etwas vom Geist oder Gemüt der Stadt? Oder ist es meine Fantasie und Assoziationskraft, die mich vom Boden der Tatsachen abheben läßt und in Sphären der Illusionen katapultiert?
Straßennamen entstehen aus politischen Prozessen. Ob ihre Standorte auch etwas über Zuordnungen sagen, sei dahin gestellt. Architektur und Fassadenschmuck sind ebenfalls Prozesse, die von Politik und gesellschaftlichem Empfinden beeinflußt werden. Daraus zumindest läßt sich spielerisch Offenheit und Flexibilität der Zeit erahnen.
Deshalb zum Abschluß ein bildhaften Türsturz, der sowohl als Uroboros (Schlange, die sich in den Schwanz beißt und als autarkes Wesen gedeutet wurde) als auch wie ein Hände-Herz á la Angela Merkel gelesen und verstanden werden kann.. „Wir schaffen das“ – auch in einer Stadt, die ich nicht als einheitlich oder geschlossen erlebt habe.