3. März 2016
Der Linksverkehr auch der Straßenbahnen in Japan führte mich ausgerechnet in Nagasaki mehrfach in die Irre. Ich machte deshalb einige Male eine kleine ungewollte Sightseeing Tour durch Teile der Stadt, ohne mein eigentliches Ziel zu sehen. Dafür entdeckte ich eine eigenartig verdrehte Frauenfigur, die mein Interesse erregte.
Die mit Greco signierte Figur war nicht der erste Akt, der mir während meiner Reise auffiel, doch dieser versetzte mich mit seiner Anatomie in Erstau- nen.
Im Internet fand ich später den Hinweis, dass es natürlich nicht El Greco war, der sich hier verewigte, sondern ein Italiener mit dem Namen Emilio Greco (1913 – 1995). Er wurde bald nach Kriegsende 1949 im MoMa in NY als wichtiger junger Künstler der neuen Generation ausgestellt und wurde später bei der Biennale in Venedig ausgezeichnet. Grund genug für einen Export in den fernen Osten fünf Jahre vor seinem Tod.
Über eine kleine Brücke gehend fand ich den Weg zur ehemaligen Insel Dejima, die den Holländern etwa 220 Jahre (1641 – 1859) als Lebens- und Handelplatz in Japan diente. Ein Streifen von 120 x 75 m war der Raum groß, über den nicht nur Seide, Baumwolle, Medizin und Zucker nach Japan eingeführt, wondern auch Kupfer, Silber, Kampfer, Porzellan und Lack nach Europa ausgeführt wurde. Als imaginäre Handelsware gingen aber auch Werte der Kulturen über den Thresen und den Teich.
Stückweise kamen Europas medizinische Kenntnisse und technische Errungenschaften – Uhren, Mikroskope, Brillen, Bücher – in die Hauptstadt Edo (heute: Tokyo), aber eben auch Sitten, Gebräuche und der christliche Glaube.
Die Euopäer, allesamt als „Hollander“ bezeichnet, wurden streng überwacht. Sie hatten dennoch Kontakt mit Einheimischen, außer ihren Handelspartnern auch mit den „Unterhaltungsfrauen“, die zugleich als eine Art Geheimpolizei fungieren mußten.
Außerhalb der inselhaften Enklave Dejima lebte nur im frühen 19. Jahrhundert der in holländischen Diensten stehende deutsche Arzt Phillip Franz von Siebold (1796-1866), der in nur sechjährigem Aufenthalt die Pflanzen- und Tierwelt Japans so gründlich forschend erkundete, dass er fast dreißig Jahre für die Aus- und Aufarbeitung der Sammlung brauchte. Siebold schickte nicht nur Teepflanzen in die damalige holl. Kolonie Java, sondern sammelte auch Landkarten. Beides waren verbotene Akte und Siebold, der mit einer japanischen Frau und einer nur zweijährigen Tochter auf den Hügeln über der Stadt leben durfte, wurde 1829 aus Japan verbannt. Er kehrte erst nach der erzwungenen Öffnung durch die Amerikaner 1859 nochmals zurück und traf auch noch Frau und Tochter an.
Heute ist die Insel ein Zeugnis japanischer Historie und ein Stolz der Stadt für ihren Wagemut, mit dem Fremden und den Fremden zu leben. Auf Dejima, das seinen Inselcharakter längst verloren hat, freuen sich nunmehr die Japaner, wieder in ihre alte Kleidung und Kultur zu schlüpfen. Hierher kommt man, um spielerisch und freudig in die traditionellen Kleider und Rollen zu schlüpfen.
Zugleich läßt sich ab- lesen, wie sich schritt- weise die damals noch sehr unterschiedlichen Kulturen angenähert haben. Die Bauweise haben die Holländer von den Japanern übernommen; sie haben im Grunde nur die Raumhöhen vergößert, damit ihre Tische und Stühle (auf die sie nicht verzichten wollten) hinein passten – deutlich zu sehen im repräsentativen Haus, der Residenz des Leiters der Niederlassung (holl. opperhoofd).
Japanische Schülerinnen erproben in den Räumen das traditionelle europäische Schreiben mit der Feder.