25.03.
Die Sonne ging schon kurz nach 5 Uhr auf, aber die Museen öffne- ten erst zwischen 9.00 und 10.00 Uhr. Aber gegen 6.00 Uhr stand ich schon mal auf und ging zur Dusche, denn ich übernachtete in einem Gästehaus im Vierbett-Zimmer und es gab für alle Gäste, dazu gehörten wohl noch wenigsten vier weitere Gäste, nur 1 Toilette und 1 Dusche.
Um 9.00 Uhr holte ich mir den Kaffee im örtlichen 7 eleven Laden und so etwas wie ein Frühstücksteilchen und entschloss mich, die Tour zu Fuß zu machen. Im Internet gab es einerseits genau die- sen Hinweis, andererseits berichtete eine dänische Künstlerin mir gerade noch, wie angenehm es im vergangenen Jahr mit einem Elektro-Fahrrad war. Ich hätte es gerne ausprobiert, aber ich bleibe ja so gerne stehen, schaue und fotografiere – und ich hatte ja plenty of time. Der Weg über einen niedrigen Hügel, entlang der Verkehrsader der Insel, war kurz und kurzweilig und bald stand ich vor einem Haus, das ich im Internet gesehen hatte und das dem Art House Projekt zugehörte. Da stieg ich ein, wörtlich zu nehmen, denn hier begann es mit dem Schuhe ausziehen und auf Strümp- fen die Kunst durchstreifen. Sechs Häuser gehören zu diesem Projekt und der gemeinsame Eintritt kostet Yen 1.000 (ca. € 8,-).
In allen Projekten und in allen Museum (nicht nur auf der Insel) ist das Fotografieren verboten. Also gibt es keine Belege für das, was ich gesehen und empfunden habe. Man kann davon ausgehen, dass diese Verbote nicht kontrolliert werden, aber ich habe mich bisher immer daran gehalten, obwohl ich selbst beim Hinweis von angedrohten Kamera-Checks (in einem Tempel) nichts dergleichen erlebt habe.
Meine Selbstdisziplin (obwohl ich es gewohnt bin, in Museen zu fotografieren, weil es in Deutschland mittlerweile nahezu überall erlaubt ist) liegt in erster Linie daran, dass das Fotografierverbot mich mich zwingt, mit den Augen zu fotografieren. Zur Bebilderung brauche ich dann Kataloge oder Postkarten. Die sind leider nicht von einer Qualität, dass sie mir bei meinem Schreiben helfen. Da müssen dann doch, wie früher, die Wörter und Formulierungen aushelfen.
Die sechs Häuser des Art House Projekts zu beschreiben, sprengt hier den Rahmen, denn eines ist allen gemeinsam: sie zeigen, visualisieren und definieren den Raum.
Raum ist nicht nur ein wichtiges Wort bei den Architekten, auch in der Kunstauseinandersetzung ist Raum eine feste Komponente. Wenn es dann doch um Häuser – Wohnbehausungen – geht, kommen die abstrakte und die reale Komponente zusammen und der Begriff swingt hin und her. Die Art House Räume sind aber nicht belebt, sie sind Raumdefinitionen, die zur Kunst werden oder die mittels installativer Eingriffe den Raum als Empfindung formu- lieren.
Von den sechs Häusern sind vier alte traditionelle japanische Architektur, eines ist ein Shrine und eines für eine Licht-Raum-Definition von James Turell eigens gebaut.
Der Go’o Shrine und das Haus Ishibashi haben mich in besonders starker Weise beeindruckt.
Der Shrine hat zwei Veränderungen erfahren: vor dem eigent- lichen Shrine, einem aufgeständerten Haus mit einer verehrungs- würdigen Figur, ist ein Steinfeld aus weiß-geäderten mittelgroßen Kopflingen angelegt worden und zum Shrine hin führt eine Treppe aus dicken Glasstufen, den den Shrine aber nicht erreichen. Der Weg zum Himmlischen, dem Göttlichen ist zwar ätherisch, aber doch nicht geschlossen. Was man nicht sieht, ist eine Fortsetzung dieser Treppe, die unter die Erde führt. Der Ticketier, der zugleich auch ein Helfer mit Erläuterungen sein kann, drückt dem Besucher aber mit deutlichem Hinweis eine Taschenlampe in die Hand und weist ihn auf einen Eingang in den Berg. Durch einen nur schulter- breiten Gang kommt man an den Beginn der Treppe und schaut nach oben zu einem verheißungsvollen Licht. Was sofort da war: Hinab zu den Müttern und hinauf zum Licht.
Das Ishibashi House ist weiträumig und in einem berückenden Maße ein perfekter Raum. Die Familie prosperierte (so der englische Text) durch Erfolge im Salz-Business. Hofflächen und Räume sind leer, z.T. abgesperrt und strahlen so ihre intensive Proportionalität aus. Das wird kongenial unterstrichen durch malerische Arbeiten im japanischen Tusche-Stil, in beiden Fällen direkt auf die Wand aufgetragen. Eine in vier Gefache aufgeteilte Wand scheint eine wie mit Russ und Verkohlung gemalte Berg- landschaft zu sein, im zweiten Raum ist es eine dreiseitige Darstellung eines Wasserfalls (wobei mir der gefrorene Niagara Fall gleich in den Sinn kam, weil er ähnlich hufeisenförmig herabströmt und sein Gefrorensein der am Fließen gehinderten Farbe nahe kommt .
Das sind die Geschichten, die erzählt werden können, aber in allen Fällen ist es vor allem die Empfindung von Raum, die in mir weiter wirkt. Es sind Räume, die demjenigen, der sie betritt, vermitteln, dass man in ihnen frei und geborgen ist. Ob man darin auch würde wohnen können, steht außerhalb dieser Demonstration. Es sind keine Show-Rooms für ein Wohn-Design. Ich habe Ruhe, Aus- geglichenheit und Zuversicht von diesem Rundgang mit- genommen.