10.09.
Ich bin zwar in den vergangenen Tagen nicht wie der Hans-Guck-in-die-Luft durch die Straßen von Budapest gelaufen, aber mein Kopf ging doch häufig nach oben, wenn ich meine Augen auf die „wilhelminischen“ Schmuckelemente an den Fassaden richtete. Das ließ auch andere dann den Kopf heben und ein Mann in blauem Bauarbeiterdress sprach mich dann auch an. Er stutzte erst ein wenig, als ich ihm nicht in gleicher Sprache antwortete, fragte dann aber „deutsch?“ und zeigte auf sich und erklärte „Romania, Bucaresti“. Er hätte, das konnte ich spüren, gerne mit mir weiter geplaudert, wir hatte aber leider keine gemeinsame Sprache.
Eigentlich ist das Straßenleben in Budapest, soweit ich es bisher kenne, nicht außergewöhnlich, außer, dass es im Bühnenbild des späten 19. Jahrhunderts stattfindet. Die Menschen auf der Straße sind genau die gleiche internationale Mischung wie in Berlin: kurzbehoste junge Männer, die laut und schlenkernd durch die Straßen gehen, kleine Gruppen von jungen Frauen, die auf Randsteinen hocken und lachend plaudern, bullige guards und gut und auch ein wenig extravagant gekleidete business men and women.
Touristen und Einheimische sind dabei, vor allem wenn es junge Leute sind, nicht leicht zu unterscheiden.
Die nahe Vergangenheit ist durch wenige Ältere vertreten, deren Kleidung man noch den Sozialismus(geschmack) ansieht. Häufiger als diese Alten stößt man aber auf die etwa 40jährigen, die den Wechsel zum Kapitalismus nicht mitvollziehen konnten.
Sie besetzen als homeless Parkbänke und Nischen und sind überwiegend ruhig und sehr still. Auch wenn viele von ihnen vermutlich Alkoholiker sind, habe ich noch keine Auffälligkeiten erlebt. Selbst am zentralen Deák Platz leben Touristen und homless weitgehend friedlich nebeneinander.
Um das Treiben in den Straßen fotografieren zu können, muss ich mir erst einen Standort suchen, von dem aus ich möglichst unbeobachtet auf den Auslöser drücken kann. Ich will es versuchen. Die homeless sind sehr viel weniger beweglich als die quirrligen Touristen, die Passanten und die smarten Geschäftsmenschen.
Zum Straßenleben gehörte am vergangenen Freitag (6.09.) auch der Sperrmülltag. Schon einen Tag zuvor wurden in „Haupt- und Nebenwegen“ (erinnerungen an das schöne Aquarell von Paul Klee) Berge von Möbeln, Holzverkleidungen, Stuhlen, Tischen und Kühlschränlen vor die Türen gestapelt. An den größeren Straßen sassen, auffällig unbeteiligt, Männer und Frauen auf lädierten Stühlen inmitten des Mülls. Ob sie dafür sorgten, dass die mühsam aufgetürmten ehemaligen Schätze nicht zu schnell wieder gefleddert werden oder ob sie diesen Haufen für sich selbst claimten, habe ich nicht erkunden können.
Der schönste Sperrmüll-Haufen, den ich sah, war eine säuberlich auf den breiten Gehsteig aufgetürmte Bibliothek. Leider kam ich nur dazu, einen raschen Schnappschuss zu machen, denn ich war in Zeitverzug auf dem Weg zum Flughafen.